Tourdaten:
Mit dem Flugzeug 10.000 km (Luftlinie) - Flugzeit: 10 Std.
Route:
von Stuttgart nach Coimbatore - über Rom, Istanbul, Mumbai
Highlights entlang der Strecke:
Die Zeit hatte heute keine Lust auf Logik.
Sie sprang – nicht wie eine Katze, geschmeidig und zielstrebig – sondern wie jemand, der aufsteht, zu schnell losläuft und stolpert.
Eben noch Abend über Arabien.
Dann Nacht über Wolken.
Und plötzlich: ein Morgen, der kam, ohne dass es einen wirklichen Zwischenraum gab.
Wir klebten am Flugzeugfenster. Zwei Silhouetten mit müden Augen und offenem Fernweh. Unter uns glitzerte „Island of the Palms“ – winzig, hell, wie ein vergessenes Märchen inmitten der Dunkelheit. Als hätte jemand Sterne in den Ozean geworfen und eine vergessen zu löschen. Ein Ort, der fast zu schön war, um real zu sein – und genau deshalb im Gedächtnis blieb. Dann: Dunst. Und ein Licht, das nicht heller wurde, sondern weicher. Als hätte die Welt vergessen, wie ein Sonnenaufgang eigentlich funktioniert.
Der erste Atemzug in Mumbai war keine Überraschung – er war eine Umarmung. Fünfundzwanzig Grad, feucht und träge, mit einem Hauch von Gewürzen, Diesel und Leben. Nicht laut, nicht grell – nur anders.
Indien beginnt nicht mit einem Knall.
Es beginnt mit einem Blick, einem Duft, einem „Ah, so fühlt sich das an.“
Die Stunden flossen dahin wie Honig im Schatten.
Wir saßen in einer Ecke der Flughafenlounge – zu müde zum Reden, zu wach zum Schlafen. Die Welt drehte sich weiter. Wir nicht.
Dann wieder: ein Flug. Ein kurzer diesmal.
Die letzte Etappe.
Coimbatore.
Und da stand er – der Mann mit dem Namensschild.
Lächelnd, als hätte er nie etwas anderes getan, als auf uns zu warten.
In seinem Blick: Ruhe. Geduld. Eine tiefe Selbstverständlichkeit.
Als wären wir keine Fremden, sondern alte Bekannte, die nur kurz weg waren.
Das Hotel? Groß. Leise. Breit in seiner Gelassenheit. Kein Ort, der sich aufdrängt – sondern einer, der einlädt. Wie ein Haus, das atmet. Wir wurden empfangen wie heimgekehrte Könige. Nicht mit Prunk. Sondern mit Sanftheit. Keine Erwartungen. Kein Protokoll. Nur das Gefühl: Hier darfst du ankommen. Und in all der Erschöpfung lag etwas Magisches. Als hätte Coimbatore nicht nur gewartet – sondern gewusst, dass wir kommen würden. Die Stadt sagte nichts. Sie tat nichts. Und genau darin lag ihre Kraft. Denn manchmal ist Ankommen kein Moment. Es ist ein Zustand. Ein Innehalten im richtigen Augenblick, an einem Ort, der nicht laut „Ich bin besonders“ ruft – sondern einfach ist.
Hotel Empfehlung:
LE MERIDIEN
Und wir?
Wir waren angekommen.
In Coimbatore.
Im Zwischenraum. Im Jetzt.
Fünfunddreißig Grad. Ein Tag vor Weihnachten.
Und wir sitzen mittendrin – in einer Luft, die vibriert, als würde selbst der Schatten schwitzen. Coimbatore liegt da, ruhig und unbeeindruckt von der Vorstellung, dass man woanders jetzt Glühwein trinkt. Hier brennt die Sonne auf staubige Straßen, und zwischen Palmen und Hupen wirkt jeder Gedanke an Tannenzweige wie eine ferne Fantasie.
Wir wollen raus. Die Stadt spüren. Nicht nur sehen.
Kaum treten wir durch das Tor des Hotels, hält uns die Security auf.
Nicht aus Misstrauen – sondern aus Begeisterung.
Sie wollen ein Foto. Mit uns. Lächeln. Selfie. Lächeln nochmal.
Und dann stehen wir draußen. Im echten Draußen.
Roller werden langsamer. Blicke länger. Ein paar Fahrer stoppen sogar.
Es ist kein Unmut – es ist Neugier. Wir sind kein Ärgernis, sondern Ereignis.
Eine Rikscha bringt uns ein Stück weiter, dann hält sie an.
Der Fahrer zeigt auf ein kleines Dorf, murmelt etwas, und fährt ohne uns weiter.
ERFAHRUNGS-BOX
Und direkt vor uns: ein Phone Shop.
Rot gestrichen, halb geöffnet, mit einer Palette vor der Tür, als wäre sie dort schon immer gewesen. Der Besitzer – rundlich, freundlich, mit einem Gesicht, das sofort Vertrauen schenkt – winkt uns rein.
Er spricht kaum Englisch, aber seine Gesten sagen genug.
Er hilft uns mit SIM-Karten, konfiguriert unsere Telefone, ruft irgendwo an, lacht leise.
Wir schauen durch die Scheibe – und draußen bleibt die Welt stehen.
Ein Mann mit einem Kind entdeckt uns.
Er winkt, tritt näher, flüstert dem Mädchen etwas zu.
Sie schaut – neugierig, schüchtern, ernst.
Als ich frage, wie sie heißt, und ihren Namen wiederhole, leuchtet das Gesicht des Mannes auf, als hätte ich ein Lied aus seiner Kindheit gesungen.
Er nickt, lächelt, geht weiter.
Doch er ist nicht der Einzige.
Immer mehr Menschen bleiben stehen.
Kommen näher.
Der kleine Laden scheint plötzlich das Zentrum des Dorfes zu sein.
Ich ziehe mich zurück.
Der Besitzer nickt verstehend, bietet uns Wasser an, dann ruft er ein Taxi.
ERFAHRUNGS-BOX
Der Fahrer, ein junger Student mit blitzenden Augen, stellt sich stolz vor. Er spricht fließend Englisch, erzählt, dass das Auto seinem Vater gehört, dass er nebenbei fährt, um zu helfen. Und jetzt? Darf er uns fahren. Er ruft seine Familie an, dreht das Display zu uns – wir winken seiner Schwester, seinem Neffen. Ihre Gesichter leuchten. Seins noch mehr. Die Fahrt dauert dreißig Minuten. Sie kostet zwei Euro. Aber das Erlebnis: unbezahlbar. Er zeigt uns eine App, erklärt: „So fahren wir alle in Südindien.“ Wir nicken – und laden sie natürlich sofort herunter.
Die Stadt zieht vorbei. Laut, staubig, bunt. Ampeln sind Deko. Hupen die eigentliche Sprache. Und doch: ein Rhythmus. Nicht unser Rhythmus, aber einer, den man spürt. Am Nachmittag schlendern wir durch ein Einkaufszentrum. Klimaanlage. Farben. Überfluss. Shirts für einen Euro, Kleider für drei. Ein Overload aus Stoff, Preisen, Eindrücken. Und ich merke: Ich kann gerade nicht mehr staunen.
Zurück im Hotel.
Wir sinken an den Pool.
Nicht elegant.
Sondern ehrlich erschöpft.
Die Stadt war kein Spaziergang.
Aber sie war echt.
Coimbatore hat uns nicht empfangen;
es hat uns zugelassen.
Mit Neugier. Mit Hitze.
Mit kleinen, echten Momenten,
die man nicht buchen kann.
Der Tag begann langsam – und blieb dabei.
Coimbatore schien mitzuschwingen in dieser stillen, fast schwerelosen Stimmung: Sonne über dreißig Grad, ein leerer Spa-Bereich wie aus einem Werbekatalog, und das Wasser im Pool lag so still, als wolle es nicht stören.
Es war der 24. Dezember.
Weihnachten, nur ohne Kälte. Ohne Schnee.
Ohne Eile. Die Stunden dehnten sich. Wir blieben.
Nichts drängte. Nichts rief.
Ein Pool, eine Sauna, kein Zeitgefühl. Nur Licht und Wasser.
Doch Coimbatore wäre nicht Coimbatore, wenn es nicht auch dann eine Geschichte erzählen würde, wenn man gar keine erwartet.
Schon beim Frühstück fiel uns ein älterer Herr auf.
Westlich gekleidet, mit einer indischen Begleitung – eine Szene, die an sich nicht außergewöhnlich war, aber plötzlich Bedeutung bekam.
Denn seit Tagen waren wir allein unter vielen.
Keine anderen „Western People“ weit und breit – nur wir zwei.
Jetzt: ein Gesicht, das aus einem anderen Teil der Welt kam.
Und dennoch genau hier saß.
Später am Pool sprach Kaya ihn an. Ein Satz, ein Lächeln, und plötzlich war da ein Gespräch, das sich nicht wie Smalltalk anfühlte, sondern wie ein lange erwartetes Wiedersehen. Sein Name war Peter.
Er hatte vor Jahren eine Firma in Indien gegründet. Und kaum war das Wort „Gründung“ gefallen, leuchtete Kaya auf. Es war, als würde Coimbatore selbst mit dem Finger auf diese Begegnung zeigen und sagen: „Da. Das war kein Zufall.“ Die beiden tauchten ab – in Ideen, in Geschichten, in Visionen. Sie redeten stundenlang.
Und selbst aus der Entfernung konnte man sehen: Das war nicht einfach ein Gespräch. Das war eine Begegnung, die bleiben würde.
Als der Abend kam, klingelte es zum Weihnachtsdinner.
Das Hotel hatte sich verwandelt.
Tisch sieben wartete auf uns.
Kerzenlicht. Stimmengewirr.
Und Kinder, die Weihnachtslieder sangen – mit der hingebungsvollen Unsicherheit, die nur echte Rührung erzeugt.
Mitten im Restaurant: kleine Holzhütten.
Daraus stieg Rauch, in Pfannen brutzelte Teig.
Keine Schmalzkuchen, aber Fladen, duftend, knusprig – und irgendwie ganz richtig. Der Service hatte alles getan, damit auch dreißig Grad sich ein wenig wie Dezember anfühlen konnten.
Und während draußen der Sommer weiterging, war da drinnen für einen Moment Winter. Nicht durch Schnee, sondern durch Geste.
Nicht durch Tradition, sondern durch Gefühl.
Shopping.
Ein Wort, das selten einen Roman eröffnet – aber manchmal beginnt Geschichte eben im Alltäglichen.
Die Mall liegt rund dreißig Minuten vom Hotel entfernt. Ein Taxi bringt uns dorthin – vorbei an Bildern, die sich nicht in Schaufenstern spiegeln.
Häuser wie Skizzen, Straßenränder, die mehr über ein Land erzählen als jede Broschüre.
Zwischen Beton und Blech: Leben. Schlicht. Laut. Echt.
Dann: Glas. Klimaanlage. Ordnung.
Die Mall erhebt sich wie eine andere Welt – gebaut für jene, die sich den Glanz leisten können. Coimbatore, von einer ganz anderen Seite.
Drinnen: Überfluss. Regale voll, Gänge glänzend, alles verfügbar. Kaya ist im siebten Shoppinghimmel. Shirts, Hosen, Stoffe – er greift, vergleicht, lacht. Sein Arm wird schwer vom Tragen.
Mein Rucksack bleibt leicht. Denn während die Herrenabteilung wie ein Designfestival wirkt, gleicht das Angebot für Frauen eher einer Hommage an Wiederholung: Leggings, Tücher, bunte Gewänder. Schön, aber nicht für mich gemacht. Der Schnitt spricht nicht meine Sprache. Ich probiere trotzdem.
Und scheitere charmant.
Wir sehen nicht viele, die aussehen wie wir. Aber viele, die schauen wie wir – neugierig, offen, freundlich. Die Mall ist ein Ort der Spiegel – nicht nur im wörtlichen Sinn.
ERFAHRUNGS-BOX
ERFAHRUNGS-BOX
An den Nachmittagen tauschten wir Konsum gegen Gespräche.
Zurück im Hotel, am Pool, im Schatten der Palmen: Peter.
Wieder sitzt er da, mit seiner ruhigen Art, mit Worten, die nicht prahlen, sondern anklingen.
Er und Kaya, tief versunken in Ideen, Gedanken, Möglichkeiten. Man könnte meinen, sie kennen sich seit Jahren.
Vielleicht tun sie das – auf eine Art, die keine Kalender braucht.
Ich höre zu, schaue auf das Wasser, das flimmert wie der Tag.
Manchmal sind es nicht die Städte, die man bereist – sondern die Begegnungen, in denen man wirklich ankommt.
Und während über Coimbatore langsam der Abend fällt, bleibt etwas zurück: Ein stilles Verstehen. Ein Moment zwischen Welten.
Und ein Ort, der mehr ist als nur Zwischenstopp.
Die Stadt ist laut. Staub liegt in der Luft wie ein Schleier, durch den das Leben hindurchleuchtet.
Wir steigen über Schutthaufen, riechen die Flüsse, die Geschichten tragen – nicht immer gute.
Und doch: überall Lächeln.
Die Menschen sind nah.
Neugierig. Offen. Ungebrochen.
Selbst die Polizei steht da, mitten im Chaos, in schneeweißen Hemden, als ginge es um Haltung, nicht um Macht.
Kein Befehlston.
Nur: helfen.
Präsenz zeigen inmitten von Hupen, Stimmen, Motoren.
Kaya bleibt an einem Kokosnussstand stehen.
Der Verkäufer zögert nicht.
Mit einem gekonnten Hieb öffnet er die Frucht – als wäre das hier nicht Verkauf, sondern Einladung.
Ich trinke. Und bin überrascht.
Nicht süß, nicht fettig – sondern frisch.
Ein Geschmack, der nichts mit unseren europäischen Raspeln oder Chips zu tun hat. Nur mit Echtheit.
Coimbatore hat wenig Glanz.
Aber viel Seele.
Manchmal packt einen ein Ort.
Und manchmal ist man es, der plötzlich Mittelpunkt wird – ohne es zu wollen. Wir stehen vor der 30 Meter hohen Shiva-Büste in den Velliangiri-Bergen, irgendwo bei Booluvampatti.
Der Boden vibriert.
Hunderte tanzen im Rhythmus. Singen.
Die Luft ist elektrisch, aufgeladen mit Hingabe.
Und wir?
Mitten drin. Bewegt, still – ergriffen.
Doch was wir suchten – das stille Staunen – wird zum Strom.
Nicht durch Shiva. Sondern durch Smartphones.
Ein Selfie. Dann noch eins. Dann eine ganze Familie. Dann… alle.
Wir lächeln. Wir winken. Wir stehen plötzlich nicht mehr vor der Statue, sondern vor der Menschenmenge. Schlangen. Gruppen. Blicke, die sagen: Ihr gehört zu unserem Moment.
Wir wollten diesen Ort sehen. Jetzt sind wir der Anblick.
Kaya sagt irgendwann leise „Nein.“
Doch selbst im Sitzen finden uns Kameralinsen.
Da stehen ein paar Jungs bei einem Transportanhänger am Rand einer Wiese.
Kaya fragt.
Sie lachen – nicken sofort.
Natürlich dürft ihr.
Wir klettern auf die Pritsche.
Die Menge vor uns. Die Statue hinter uns.
Ein kleines bisschen Abstand.
Ein großer Moment.
Unten wird weiter fotografiert.
Aber wir sind in Sicherheit.
Zum ersten Mal an diesem Tag gehören wir wieder uns.
Die Jungs erzählen: Sie sind Zirkusartisten.
Vor ein paar Stunden haben sie noch hier eine Show gespielt.
Darum das Auto. Darum die Bühne.
Ein seltener Ort, ein seltener Zufall.
Dann senkt sich Dunkelheit.
Der Platz erwacht neu.
Tausende rufen.
Lichter heben sich – Handys wie Sterne. Ein Meer aus Glanz.
Die Show beginnt.
Und während Shiva über allem wacht, stehen wir da – mit Gänsehaut.
Mit einem Gefühl, das sich schwer beschreiben lässt.
Aber vielleicht ist es genau das: Ehrfurcht.
Manchmal ist ein Tag einfach nur: leise.
Nicht langweilig. Nicht leer.
Sondern still auf die schönste Art.
Coimbatore legt heute keinen Staub, kein Lächeln, keine Geschichte in unseren Weg.
Und wir?
Wir sagen nicht Nein.
Wir bleiben.
Im Hotel.
In unserer kleinen Blase aus Zeitlosigkeit und Spa-Duft.
Die Welt draußen zieht vorbei – aber wir lassen sie.
Wir igeln uns ein, vergraben uns in Handtücher, Spa, Gespräche mit Peter, die mehr erzählen, je länger sie dauern.
Ein letzter Tag hier.
Bevor es weitergeht – in den Norden Indiens, ins Nächste, ins Neue.
Offenlegung // Werbung: Dieser Artikel enthält Werbung in eigener Sache – wir stellen euch Orte, Unterkünfte und Erlebnisse vor, die wir selbst besucht und für empfehlenswert befunden haben. Wenn ihr unseren Tipps folgt, unterstützt ihr unsere Arbeit als Reiseblogger, Autoren und Fotografen. Vielen Dank fürs Mitreisen!